»Mein Haus ist dein Haus
Uraufführung im Forum-Theater
Am liebsten ist der Besuch, der bald wieder geht – behauptet eine Redensart. Was aber, wenn er seinen Gastgebern etwas zurücklässt? Ein Problem, das unlösbar scheint? So ergeht es jedenfalls der Familie Barnea in ›Rückkehr nach Haifa‹. Das jüngste Stück des erfolgreichen israelischen Dramatikers Ilan Hatsor (›Die Vermummten‹) erlebte am Donnerstagabend seine Welturaufführung im Forum-Theater, »weil die großen israelischen Theater es seiner politischen Brisanz wegen bisher ablehnten«, so der Autor.
Moris Barnea (Manuel Jendry) und seine Frau Amalia (Barbara Stoll), beide erfolgreiche israelische Akademiker mit linker Gesinnung, und ihr erwachsener Sohn (Wilhelm Prainsack) bekommen Besuch von einem amerikanischen Wissenschaftler (Maarten Güppertz). Bei dieser Gelegenheit stellt sich nicht nur heraus, dass die Ehe des Gastgeberpaars einen Knacks hat, sondern auch, dass der vermeintliche Amerikaner in Wirklichkeit ein Sohn jener vertriebenen arabischen Familie ist, in deren Besitz das Haus der Barneas ursprünglich war. Das Misstrauen gegen ihn droht, die Gastfreundschaft zu überwuchern. Yaron Goldstein, der mit Daniel Klumpp das Stück aus dem Hebräischen übersetzt hat, akzentuiert in seiner Inszenierung, für die er auch Bühnenbild und Musik besorgte, das kammerspielartige von Hatsors Stück. Er lässt die Figuren zwischen Designercouch und großbürgerlichen Esstisch der Barneas aufeinander treffen und projiziert in den Hintergrund immer wieder ein Fenster mit Blick auf einen Hafen – Ort von Flucht und Aufbruch. Vor allem aber setzt er auf sein überzeugendes Ensemble: auf Manuel Jendry als verängstigt-zornigen Hausherrn, Barbara Stoll als dessen arbeitswütige, politisch bewegte Gattin, Wilhelm Prainsack als stürmischen Jugendlichen und natürlich auf Maarten Güppertz, den freundlichen, schwer einschätzbaren ›Eindringling‹, der stets betont, er wolle das Haus nicht zurück, sondern nur die Anerkennung seines Anrechts. Zuweilen wird der politische Inhalt des ansonsten psychologisch interessanten Stücks ein wenig schulmeisterisch referiert. Das machen jedoch die vor Ironie sprühenden innerfamiliären Wortwechsel wieder wett. Zudem wird mit Leichtigkeit und Ernst zugleich das Rückkehrrecht für nach der israelischen Staatsgründung 1948 geflüchtete Araber thematisiert – und ein Bündel grundsätzlicher Fragen aufgeworfen: Was ist Besitz? Gibt es ›historische Rechte‹? Wo beginnen Verdrängung und Verleugnung? StZ, 3.3.2007
»Goldstein inszeniert ›Rückkehr nach Haifa‹ im Forum Theater
Keine Versöhnung möglich
Persönlicher Autismus als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln: Gegen diese israelische Wahrnehmung hat Ilan Hatsor ein Theaterstück geschrieben. Doch auch die Protagonisten seines theatralen Versöhnungsangebotes scheitern.
Es gibt keinen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Moris, Professor mit Karriereknick, hat seinen amerikanischen Kollegen Ablini nicht ohne Hintergedanken nach Haifa eingeladen. Kann er ihm zum Sprung an die Universität Yale behilflich sein? Doch der als Willkommen gedachte Gruß des Hausherrn gerät zum Orakel. Ablini ist Palästinenser und wurde in den Mauern des Gastgebers geboren. Seine Rückkehr nach Haifa dient allein einem Zweck: Von den Israeli ein Anrecht auf Rückkehr in den zweiten Stock des Hauses zu erbitten. Den alten Schlüssel »zum Öffnen einer echten Tür und nicht zu einer schmerzhaften Erinnerung« hat das einstige Flüchtlingskind Ablini für seine Kinder aufbewahrt. Diese schöne Geschichte – in der auf einer zweiten Ebene die Familie als Schauplatz persönlicher Emanzipationskriege wie ein Spiegelbild der großen Politik eingewoben ist – wird in ihrer deutschen Erstaufführung im Forum Theater (Inszenierung: Yaron Goldstein) mit intellektueller Logik unterhaltsam und temperamentvoll erzählt.
Man ist gern zu Gast beim larmoyanten Moris (Manuel Jendry) und seiner schnittigen Ehefrau Amalia (Barbara Stoll), die als linke Demokraten im optisch wie akustisch orientalisch inspirierten Bühnenambiente zunächst politisch korrekt, aber selten mit einer Stimme argumentieren. Ihr pazifistisch gestimmter Sohn (Wilhelm Prainsack) übernimmt die Rolle des Katalysators. Als Kunstfigur begegnet uns Ablini (Maarten Güppertz). Hatsor zeichnet ihn als Typus des europäischen Aufklärers – solidarisches Angebot des Israeli zum Versöhnungsgedanken? Wirklich versöhnt aber wird hier nichts und niemand: In egoistisch gefärbter, aber traditionell zionistischer Wahrnehmung schlagen Moris und Amalia das Friedensangebot aus. Der Bogen vom Theater zur Realpolitik ist geschlagen. StN, 3.3.2007