Premiere am 04. Oktober 2012

Elektra

Von Sophokles

Regie & Bühnenfassung: Dieter Nelle
Bühne und Kostüme: Mirko Hensch
Videos: Sibylle Trickes
Mit: Schirin Brendel, Martina Guse, Farida Shehada, Maarten Güppertz, Michael Ransburg und Günther Seywirth

Nach der Ermordung König Agamemnons durch seine Frau Klytämnestra herrscht diese mit ihrem Liebhaber Aigisthos über das Land Argos. Ihre Töchter Elektra und Chrysothemis müssen sich zwischen Anpassung und Rebellion entscheiden. Während sich Chrysothemis ein ganz normales Leben mit einer Familie wünscht und bereit ist, dafür jeden Kompromiss zu schließen, bleibt Elektra renitent. Sie will Rache für den Tod ihres Vaters und hofft auf Orest, ihren Bruder, der im sicheren Exil aufgewachsen ist, und dessen Rückkehr sie herbeisehnt. Endlich erscheint er und Elektra sieht die Stunde der Abrechnung gekommen. Doch Orest zögert. Er will Zeit gewinnen – und so beginnt ein riskantes Verwirrspiel, das nur in einem Blutbad enden kann.

Mit starken, vielschichtigen Charakteren und einer durchgehend spannenden Handlung gehört diese klassische Tragödie zu den packendsten Dramen der Weltliteratur. Wir zeigen sie in einer Fassung, die einen Ausblick auf die Vorgeschichte und auf das Nachspiel bietet, und derart einen großen Bogen spannt, wie sonst nur eine Trilogie. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie kann aus Barbarei eine Demokratie hervorgehen, wie wird aus Schuld eine Möglichkeit zur Erlösung, wie läßt sich angesichts von fortlebender Grausamkeit noch Humanismus denken? Eine sehr deutsche – aber nicht nur deutsche – Frage. Ein multikulturelles Ensemble macht sich auf die Suche nach Antworten, erkundet die Geburt der Demokratie und sucht den geistigen Standort ›Deutschland heute‹ auf.

»In ›Elektra‹ hat sich mörderische Gewalt in einer Familie festgesetzt. Klytaimnestra hat mit ihrem Liebhaber Aigisthos (souverän: Maarten Güppertz) ihren Gatten Agamemnon ermordet. Klytaimnestras Tochter Chrysothemis möchte sich mit der Situation arrangieren, ihre Schwester Elektra will den Vater rächen. Sie ist die zentrale Figur des Stücks, und Schirin Brendel spielt sie mit großem Temperament als eine leidenschaftliche und zugleich unerbittliche Frau. In einer Schlüsselszene trifft Elektra auf ihre Mutter. Martina Guse ist eine Klytaimnestra, die mit weißer Bügelfaltenhose wie eine arrogante Managerinnenziege des Jahres 2012 daherkommt. Im Schlagabtausch von Mutter und Tochter geht es um Gerechtigkeit, die beide mit eiskalter Radikalität herstellen wollen. Die Mutter hat um der Gerechtigkeit willen gemordet, die Tochter hat es noch vor.
Für seine Inszenierung hat der Regisseur Dieter Nelle den Dramentext überarbeitet, und diese Bühnenfassung ist ihm glänzend gelungen. Nelle erhält den klassisch-archaischen Sophokles-Ton und versetzt zugleich Passagen stilistisch in unsere Gegenwart, ohne zu überzeichnen. […] Keine Frage: Nelles intelligente Inszenierung schafft es, Sophokles‘ Stück zu uns heute sprechen zu lassen.« StZ, 06.10.12

»Mit seiner Bühnenfassung der ›Elektra‹ von Sophokles verortet Regisseur Dieter Nelle die Tragödie zwar in der Zeitlosigkeit, rückt das Geschehen aber auch behutsam an unsere Tage. Die vielschichtige Inszenierung besticht mit eindrucksvoll zeichenhaften Bildern. Ihr lapidarer Gestus untersucht eine von chronischer Rachsucht genährte Endlosschleife der Gewalt. Dazu passend entwarf Ausstatter Mirko Hensch ein düsteres Labyrinth aus schweren schwarzen Säcken, die an Ketten von der Decke baumeln. An ihnen könnten Boxer ihre Schlagkraft stählen. Sie markieren aber auch Gräberfelder, letzte Ruhestäte der Opfer unzähliger Rachezüge. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, irrt das Sophokles-Personal zwischen diesen schwarzen Ungetümen umher. Dank der darstellerischen Präsenz der sechs Schauspieler gelingen dabei Porträts der Zwanghaftigkeit. […] Zum szenischen Höhepunkt des Abends gerät das Wortgefecht zwischen Elektra (Schirin Brendel) und der Gattenmörderin Klytaimnestra (Martina Guse). Im Dickicht des Sacklabyrinths stechen die beiden Todfeindinnen mit den scharfen Wortklingen von Arroganz und blinder Selbstgerechtigkeit aufeinander ein.« StN, 06.10.12