Premiere am 17. Januar 2013

Der Tausch

Von Johann Wolfgang von Goethe

Forum Theater / theaterBurg Roßlau
Regie: Jobst Langhans
Ausstattung: Roy Spahn
Dramaturgie: Claudius Weise
Mit:Meike Frevel, Sarah Kühl, Anton Korppi-Tommola, Ulrich Meyer-Horsch, Julian Meyer-Radkau und Ismael Volk

»Dass ich erkenne, was die Welt / im Innersten zusammenhält« – dieser Satz aus Goethes ›Faust‹ dürfte vielen bekannt sein. Aber nur wenige wissen, wie es weitergeht: »Schau alle Wirkenskraft und Samen / und tu nicht mehr in Worten kramen«. Denn Fausts Erkenntnisdrang hat ein bestimmtes Ziel: die ›Quellen allen Lebens‹. Und das Problem, keinen Zugang zum Leben zu haben, ist nicht bloß das eines alternden Mannes, der in seiner Gelehrtenstube eingesponnen ist. Es ist – noch immer – das Problem der Wissenschaft, deren Weltbild an toten Dingen geschult wurde und die deswegen nur die materiellen Teile beschreiben kann, aus denen ein lebendiges Wesen zusammengesetzt ist, der aber das ›geistige Band‹ fehlt. Deshalb wirkt die moderne Technik, welche von ihr hervorgebracht wurde, so tödlich. Und deshalb ist die Suche nach den ›Quellen allen Lebens‹, nach dem, was das Lebendige lebendig macht, und einem Denken, das dies zu begreifen vermag, heute ein Menschheitsproblem.
Das ist die Schneise, die wir durch Goethes ›Faust‹ schlagen wollen, der Gesichtspunkt, nach dem wir Szenen aus dem ersten und dem zweiten Teil ausgewählt und zusammengestellt haben – als Elemente eines neuen Ganzen. Dabei erscheinen Gretchens Tod im ersten und Helenas Neugeburt im zweiten Teil als Stationen ein und desselben Weges: als Scheitern und Gelingen des Versuchs, sich mit dem Leben zu verbinden.

»Die Aufführung fordert Geduld. Geduld zu hören und zu schauen. Wer sie ins Forum Theater mitbringt, erlebt einen faszinierenden Theaterabend. Fast drei Stunden lang fängt die Inszenierung die Begegnung zweier Paare und die Musikalität ihrer poetischen Sprache mit dichten, langsamen Bildern ein. Zwar tendieren diese nach der Pause mitunter zur Monotonie, insgesamt indes gelingt es Regisseurin Beatrice Scharmann mit ihrem überzeugenden Darstellerquartett, in Paul Claudels 1914 uraufgeführtem Prosadrama ›Der Tausch‹ Befindlichkeiten zu entdecken, die ins Heute reichen: Alles muss sich vermarkten lassen. Selbst die Liebe.
Mit lakonischer Genauigkeit beobachtet die Regisseurin, wie Gefühle verramscht werden. Im Forum Theater erscheinen die vier Protagonisten des Handels wie Elementarteilchen menschlicher Widersprüche. Ausstatter Michael Zimmermann setzt sie in einer kunstvollen Seelenlandschaft aus: Ein weitläufiger Strand aus rohen Brettern, Symbol archaischer Bodenständigkeit und rigider Religiosität, mündet in ein azurblaues Meer. Hier leben der reiche Geschäftsmann Nageoire (Michael Ransburg: ein charmant-lässiger Zyniker) und seine arrogante Geliebte Lechy (Magdalena Scharler), der Naturbursche Louis von Anton Korppi-Tommola, der sich durch Geld und Lechy verführen lässt, und seine Frau Marthe (Sarah Kühl), die ihrem Mann die Luft zum Atmen nimmt. Am Ende erstarrt diese ›viergeteilte Seele‹ (Claudel) zu einer Skulptur der Beziehungsunfähigen.« StN, 19.01.13

»So holzschnittartig Paul Claudel seine Figuren zeichnet, so dichterisch frei gestaltet er ihre Reden. Selbst in der deutschen Übersetzung spürt man in Wortwahl und Duktus der Sprache Untertöne, die, mal lyrisch, mal biblisch, die Charaktere formen. Marthe antwortet auf die von Thomas und Lechy an sie gerichteten Fragen einsilbig, wohl wissend, dass eine Verständigung unmöglich ist. Umso wortreicher und drängender erleben wir Marthe, wenn sie Louis beschwört, dass alles so bleiben müsse, wie es ist.
Sarah Kühls Marthe folgt konsequent dem Bild des Autors von einer schlichten jungen Frau, die sich in ihrem Tun und Denken allein von ihrem Glauben an eine göttliche Weltordnung leiten lässt. Der Regie (Beatrice Scharmann) gelingt es, dem Kontrast zwischen den Rivalinnen in ihrer Liebe zu Louis eine Absolutheit zu geben, die auch abgekoppelt vom unbeugsamen Katholizismus Claudels Sinn macht. Wenn Marthe einem inneren Gesetz folgt, so gibt es bei Lechy (Magdalena Scharler) nur den roten Faden einer Gefallsucht. Ein Leben, das sich im Bemühen um Aufmerksamkeit erschöpft, so verkündet uns der Dichter, kann nur im Chaos enden.« Kultur, März 13