Premiere am 04.Mai 2017

Reineke Fuchs

Von Johann Wolfgang von Goethe

Mit Martina Guse, Britta Scheerer, Torsten Hermentin, Michael Ransburg, Udo Rau und Sebastian Schäfer
Regie und Bearbeitung: Dieter Nelle
Bühne und Kostüme: Leonie Mohr und Hannes Hartmann

Volkstheater – Welttheater: Goethes Reineke Fuchs

Fabel-haft geht es zu in Goethes Reineke Fuchs. Gierig, verlogen und egoman – wie es eben zugeht in der heutigen Politik und Finanzwelt. Und dem listigsten von allen soll es nun an den Kragen gehen. Aber Reineke Fuchs ist nicht zu fassen. Fast das ganze Tierreich hat er gegen sich, alle hat er schon mal hintergangen, betrogen, bestohlen oder gar hinterrücks überfallen. Nun soll Schluss sein damit: wegen Mordes soll er vor Gericht und die Beweise sind überwältigend. Aber selbst zum Tode verurteilt, weiß er noch seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Mit einer genialen Lüge befreit sich Reineke Fuchs. Ein skrupellos gewitzter Charmeur, es fällt schwer, ihm gegenüber keine Sympathie zu empfinden.

Goethes Versepos ist ein spielerisch leichtes Feuerwerk der Sprache und Figuren. Es treten nur Tiere auf – aber wir sehen nichts als Menschen.

Manipulator mit spitzer Schnauze

Im Forum-Theater werden Goethes “Reineke Fuchs” alternative Fakten verhandelt.

Von Cord Beintmann

Den Tieren reicht’s. Von König Nobel, dem Löwen, verlangen sie, den Bösewicht Reineke Fuchs vor das Gericht der Tiere zu laden. Diebstahl, Raub und Mord werden dem schwerreichen Typen mit der spitzen Schnauze vorgeworfen. Der Bär soll Reineke zum Gericht holen, wird aber von Reineke übelst behandelt, und auch dem Kater gegenüber benimmt er sich grausam. Der Fuchs ist ein Tier von bedenkenloser Brutalität. Irgendwann erscheint er dann doch vor Gericht, und da zeigt sich seine große Begabung, andere Tiere zu manipulieren.

Goethes Versepos „Reineke Fuchs“ von 1794, eine Nachdichtung des mittelalterlichen Epos „Reineke de vos“, hatte jetzt im Forum-Theater Premiere. Hannes Hartmann und Leonie Mohr (Ausstattung) haben die Bühne schön karg gestaltet, mit einer kleinen Tribüne für den König und einem Landschaftsbild auf der Rückwand. Ganz heutig sind die Kostüme, dazu tragen die Akteure Tiermasken aus Papier. Ausgerechnet Reineke Fuchs trägt ein blütenweißes Hemd mit weißer Fliege. Reineke ist der Archetypus des Schwätzers, Lügners und Fakten-Verdrehers. Der König verurteilt ihn zum Tode, doch Reineke gelingt es, die Situation vollständig zu drehen. Er behauptet, andere Tiere hätten eine Verschwörung gegen König Nobel geplant, und außerdem kenne er einen Schatz, dessen angeblicher Ort er Nobel verraten könne. Natürlich ist das alles dreist gelogen, doch der König glaubt Reineke, und der Lügen-Fuchs entgeht dem tödlichen Strick.

Nicht nur das  Vermaß wirkt  noch immer, auch  die Inhalte sind  noch zeitgemäß.

Danach mordet und raubt er lustig weiter und kommt wieder vor Gericht. Das Ergebnis des Prozesses ist dann geradezu absurd, wie dieses Stück überhaupt, das aber bloß sehr grell die Realität zu Goethes Zeiten ebenso wie heute beleuchtet. Michael Ransburg spielt Reineke, und er bekommt das ziemlich gut hin. Ransburg beherrscht diverse Tonfälle, schmeichlerisches Gesülze, pathetisches Gebrüll ebenso wie pseudosachliches Gesäusel. Martina Guse als Königin besticht durch sprechende Mimik und Körpersprache.

Dieter Nelle hat Goethes Epos als einleuchtende Mixtur aus grotesker Burleske und Gesellschaftsanalyse inszeniert, dabei locker und heutig. Erstaunlich ist, dass Goethes Hexameterverse heute noch wunderbar funktionieren. Die Dialoge laufen leicht und flüssig dahin. Was dabei nach 1794 klingt, wirkt eher amüsant.
Was soll diese Satire mit Tieren nun? Bei Goethe ging es um Kritik an der Feudalgesellschaft und auch ganz allgemein um Wahrheit und Lüge. Unerhört gut passt dieses Stück in die politische und die mediale Realität der Gegenwart mit Fake-News und „alternativen Fakten“. Mit Letzterem jongliert Reineke Fuchs brillant.

Stuttgarter Zeitung, 06.05.2017